Das Pfingstwochenende 2022 war geprägt von schwierigen Flugverläufen. Viele Züchterinnen und Züchter des Verbandes waren davon betroffen, und der berechtigte Wunsch nach Kenntnis der Ursachen ist bei allen Beteiligten groß. Deshalb haben es sich sowohl die Flugsicherungskommission (FSK) als auch das Präsidium zur Aufgabe gemacht, möglichst zeitnah und nachdrücklich zur Analyse und Aufklärung der schwierigen Rahmenbedingungen des Flugwochenendes beizutragen.

 

So wurde noch am selben Wochenende die Wettermanufaktur gebeten, zu den Ursachen und den Umständen Stellung zu nehmen. Im Umfeld der betroffenen Flüge gibt es neben den Wetterbedingungen aber noch weitere offene Fragen, die es zu beantworten gilt. Denn die Flugverläufe waren offenbar eine Verkettung von mehreren unglücklichen und unverständlichen Umständen. An dieser Stelle möchten wir Ihrem Wunsch und unserer Verantwortung nach transparenter Aufarbeitung nachkommen und aus unserer Sicht die Umstände der schlechten Flugverläufe im Süden Deutschlands an diesem Pfingstwochenende, zumindest in etwas gekürzter Fassung, darlegen.

 

Aus dem angeforderten Bericht der Wettermanufaktur geht hervor, dass alle Wettermodelle im Vorfeld des Wochenendes gutes Flugwetter am 04./05.06.2022 voraussagten. Die vorhandenen Wettermodelle haben die Bildung einer Nebel-Hochnebellage also nicht vorhergesagt. Anhand dieser Modelle erstellt der Meteorologe aber die Vorhersage in den Tagen vor dem Flug und natürlich am Flugtag selbst. Die Realität am Samstagmorgen sah jedoch anders aus.

 

In der Region Regensburg/Nürnberg hatte es am Abend und in der Nacht davor heftig geregnet. In den Morgenstunden hatte sich daraufhin Nebel gebildet. Das ist für Meteorologen, aber auch für erfahrene Flugleiter ein bekannter Vorgang. Entgegen der allgemeinen Erfahrung und im Juni/Juli eigentlich üblich, löste sich der Nebel an diesem Morgen jedoch nicht auf. Der Nebel hatte sich offenbar durch die subtropischen Verhältnisse und den nächtlichen Regen in den Morgenstunden eher noch verstärkt. Des Weiteren war zu beobachten, dass sich die Wolken im Wolkenfilm eher im östlichen Bereich von Nürnberg „gestaut“ hatten. Solch ein Phänomen war auch bei dem schwierigen Flugverlauf 2018 (allerdings als Regen) zu beobachten. Der für uns zuständige Meteorologe hatte seine Prognose für das vorletzte Wochenende auf Grundlage von Erfahrungswerten dahingehend erstellt, dass der Nebel sich auflösen sollte und dass es sich zudem wohl um Bodennebel handelt. Dieses wurde auch den zuständigen Flugkoordinatoren so vermittelt.

 

Wettermodelle arbeiten in ihrer Vorhersage mit Richtwerten aus der Vergangenheit. Daher kann sich eine Prognose auch als falsch erweisen, wie am besagten Wochenende geschehen. Auch der diensthabende Meteorologe kann sich in seiner Vorhersage letztlich nur auf Modelle und die eigene Erfahrung stützen. Die Wetterlage war also in der Zeit bis 11, 12 Uhr im Bereich von Würzburg bis Hemau/Regensburg nicht ausreichend gut, um die Tauben zu starten. Nicht bemerkt bzw. beachtet wurde der Hinweis eines anderen Wetterportals, dass eine außerordentlich hohe Luftfeuchtigkeit von 98 und 99 Prozent prognostizierte.

 

Die Tauben wurden demzufolge aufgelassen und, wie auch schon 2018, setzte bei den Entscheidungsträgern, also unseren Flugleitern, ein Dominoeffekt ein. Der erste Auflass fand in Straubing, um 06:15 Uhr statt. Dieser Auflass war offenbar für andere Flugleiter eine Art Startsignal. Flugleiter B hat im Grunde die Entscheidung von Flugleiter A als Indiz dafür genommen, dass auch auf seiner Strecke gute Flugbedingungen herrschen müssten. Das setzte also eine Kette von Auflassentscheidungen in Gang, die einen Flugleiter nach dem anderen in Zugzwang brachte. Viele Flugleiter sahen sich dem Druck ausgesetzt, ihre Tauben ebenfalls starten zu müssen. Denn hätte sich ein einzelner Flugleiter dieser „Kollektiventscheidung“ nicht angeschlossen und die Fluge bei den anderen wären glatt verlaufen, wäre bekanntermaßen das Unverständnis groß gewesen.

 

Das Flugwochenende zu Pfingsten hat eine gravierende Fehlerkette aufgezeigt. Dessen sind sich die verantwortlichen Flugleiter, die Flugveranstalter, Flugkoordinatoren, die Flugsicherungskommission (FSK), das Präsidium und die Wettermanufaktur bewusst. Die Aufarbeitung dieser Fehler mit dem Herausarbeiten von Schlussfolgerungen wurde umgehend, im intensiven Austausch, begonnen. Die Tatsache, dass sich das Flugwochenende vom 21./22.07.2018 nun in ähnlicher Weise wiederholen konnte, zeigt deutlich, dass es trotz aller Fortschritte in der Wetterberatung der letzten Jahre noch immer Schwachstellen gibt, die Fehleinschätzungen und daraus folgende Fehlentscheidungen begünstigen.

 

Wie zu erwarten, spielte in den verschiedenen Diskussionen, vor allem der beteiligten Züchter, das besagte Flugwochenende eine dominierende Rolle. Die Frage nach den Ursachen und nach Lehren sind völlig berechtigt. Allerdings gab es insbesondere in den diversen Internetforen, auf Facebook, Twitter und Co. auch unzählige unwürdige Wortmeldungen. Und das waren nicht etwa irgendwelche pauschalen Angriffe von außerhalb, sondern Angriffe von Sportfreunden gegen Sportfreunde, also aus den eigenen Reihen! Deshalb sei an dieser Stelle deutlich gesagt: Vorverurteilung von sämtlichen am Flugbetrieb beteiligten Personen sind trotz aller Emotionen, die hier gewiss im Spiel sind, völlig fehl am Platz und nicht hilfreich! Wir meinen: Reflexion sollte gerade unter Sportfreunden in einem angemessenen Rahmen stattfinden. Neben angebrachter Kritik gehören dazu weder persönliche Anfeindungen noch Beleidigungen oder gar Drohungen!

Weder das Präsidium noch die Flugsicherungskommission unterstellen auch nur einem Flugleiter, dass er seine ehrenamtliche (!) Arbeit vorsätzlich fahrlässig ausführt.

 

Wir fordern daher dazu auf, sich in Erinnerung zu rufen, dass wir alle unser faszinierendes Hobby gemeinsam ausüben, es in einem konstruktiven und fordernden Miteinander am besten funktioniert und uns erst dadurch Freude bereiten kann. Das betrifft die ehrenamtlich arbeitenden Flugleiter ebenso wie alle anderen Funktionsträger und jedes Verbandsmitglied.

 

Die Ereignisse des Pfingstwochenendes vermitteln uns wichtige Lehren, die u.a. darin bestehen, dass trotz aller wissenschaftlich begründeten Fortschritte in der Erstellung von Wetterprognosen immer der Mensch mit seinen Erfahrungen und seiner Ausbildung den entscheidenden Impuls setzt. Und an jedem Flugwochenende muss der Flugleiter seine Auflassentscheidung unter Beachtung neuer, ganz aktueller Auflassbedingungen fallen. Hier darf es keine Routine, keine Leichtfertigkeit geben!

Aus den dargestellten Sachverhalten ergeben sich folgende erste Schlussfolgen:

 

■ Es gibt Übereinstimmung darüber, die Zielgenauigkeit und Zuverlässigkeit der Wetterprognosen für einen erfolgreichen Brieftaubensport zu erhöhen. Die Wettermanufaktur hat deshalb damit begonnen, die Vorhersagemodelle zu überprüfen und die entsprechenden Indizes anzupassen.

■ Die Meteorologen werden mit Hilfe besserer Live-Wetterdaten auf Problemgebiete hinweisen, um dann gegebenenfalls Warnungen auszusprechen. Es wird kurzfristig eine Karte (ähnlich „Wetter-Online“) erscheinen, in der mit einer roten Flache bzw. roten Punkten schwierige Bedingungen für Brieftaubenauflässe ausgewiesen werden. Hier insbesondere hohe Luftfeuchtigkeit, schlechte Sichten, tiefe Wolken und der Bedeckungsgrad.

■ Neben der Nutzung der zur Verfügung stehenden, wissenschaftlich begründeten Daten der Wettermanufaktur und weiterer Quellen sind die Flugleiter angehalten, wieder stärker herkömmliche (altbekannte) Informationsquellen für die komplexe Beurteilung der Wettersituation

zu nutzen. Die Flugleiter werden verpflichtet, Kontaktleute bzw. andere Flugleiter der Kabinenexpresse auf ihrer Flugstrecke zu konsultieren und im Flugleiterprotokoll nachzuweisen.

■ Das Auflassprotokoll wird um entsprechende Wetterparameter und Angaben ergänzt. Diese sind vom Flugleiter vor dem Auflass zu überprüfen.

■ Die Flugkoordinatoren überprüfen ihren Korridor regelmäßig auf aktuelle und zu erwartende Wetterparameter für Brieftaubenflüge und dokumentieren es im Flugleiterportal.

■ Die Flugkoordinatoren sind aufgefordert, für ihre Route eine Aufstellung geeigneter Webcams

mitzuteilen.

■ Die Flugleiter sind angehalten, nicht dem Dominoeffekt zu folgen, sondern sich bei jedem Flug selbstständig über die Flugbedingungen auf der Strecke ausgiebig zu informieren.

■ Die Tatsache, dass sich der Kraftfahrer eines Kabinenexpresses als Einziger am Auflassplatz befindet und die Wettersituation live beurteilen kann, erfordert seine regelmäßige Schulung und strikte Einbeziehung.

■ Für alle RegV-Flugleiter wird im Frühjahr 2023 angeboten, an einer Schulungsmaßnahme des Verbandes teilzunehmen.

 

In der Vergangenheit hat die Flugsicherungskommission (FSK) verschiedene Flugleiter nach auffälligen Flugverlaufen angeschrieben und um Stellungnahme gebeten. Dies wurde oft als ungerechte „Abmahnung“ des Flugleiters empfunden. Nach der Erfahrung aus den angesprochenen Flügen der Saison 2018 brauchen wir allerdings die Einschätzungen der Flugleiter, um weitergehend Schlussfolgerungen auszuarbeiten. Die Flugsicherungskommission (FSK) wird sich deshalb auch nach diesem Pfingstwochenende in geeigneter Weise an die Flugleiter wenden, um Lehren bzw. Hinweise zu den Flugverläufen zu erhalten, diese anschließend zu vermitteln und zu versuchen, die Flugleiter weiter zu sensibilisieren.

 

Und noch eine Anmerkung: Einigen unserer gewählten Flugleiter, die Woche für Woche, teilweise jahrelang, unsere Tauben gut nach Hause gebracht haben, sind Fehler unterlaufen. Ja, das ist richtig, und sie machen sich die meisten Vorwürfe. Aber fair ihnen gegenüber wäre es doch, ihnen jetzt den Rücken zu stärken. Einen Verzicht auf ihre jahrelange Erfahrung kann sich unser Brieftaubensport nicht leisten. Dieses Herangehen schließt selbstverständlich nicht aus, dass es bei offensichtlichen Pflichtverletzungen, vor allem im Wiederholungsfall, kritische Nachfragen und Konsequenzen geben muss.

 

Wir müssen nun alles in unserer Macht stehende tun, damit sich solche Flugverläufe nicht wiederholen. Hierbei sind wir auf die Mitarbeit aller Beteiligten angewiesen. Dies schließt ausdrücklich auch diejenigen ein, die bewusst oder auch unbewusst einen Flugleiter unter Druck setzen, bestimmte Auflassentscheidungen zu treffen. Wir wollen, dass ohne Zeitverzug noch bessere Daten zur Wetterlage zur Verfügung stehen und vertrauen künftig auf ein besseres respektvolleres Miteinander, auf verbindende Freude an unserem schönen Hobby und fühlen uns in jeder Situation dem Tierwohl verpflichtet.

 

Für das Präsidium

Ulrich Peck, Präsident

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